Zur Heilkun­de­über­tra­gungs­richt­linie: Mehr Vertrauen bitte!

Hand aufs Herz – haben Sie daran noch geglaubt? Immerhin sind seit dem Inkraft­treten des § 63 Absatz 3c SGB V mehr als drei Jahre vergangen. Nicht, dass der neue Modell­pa­ragraf zwischen­zeitlich in Verges­senheit geriet – ganz im Gegenteil.

Immerhin feiern ihn die einen ja als Meilen­stein, während die andern ihn als Frontal­an­griff auf den Arztberuf verteufeln. Hitzige Debatten auf Kongressen und eine Vielzahl an Zeitschrif­ten­ar­tikeln und Stellung­nahmen zeugen davon. Einzig Modell­vor­haben gab es bislang noch nicht.

Aber dazu bräuchte es ja auch die Heilkun­de­über­tra­gungs­richt­linie. Und nun ist sie endlich da – und so ist dann wenigstens etwas im „Jahr der Pflege“ für die Pflege bewegt worden. Oder etwa nicht?

Zumindest eines scheint inzwi­schen klar zu sein: ie auf den oben genannten Wegen lange Zeit nachzu­ver­fol­gende „Schlacht“ um die Form der Tätig­keits­über­tragung – Delegation oder Substi­tution – hat nach Punkten die Ärzte­schaft für sich entscheiden können. Deutlich ist zu erkennen, dass der unlängst auf dem 114. Deutschen Ärztetag getroffene Entschluss (TOP 1–19, 1–28), die Substi­tution katego­risch abzulehnen und die Delegation als einziges Übertra­gungs­modell zu erklären, in die Richt­linie einge­flossen ist.

Dass in der Geset­zes­be­gründung (BT-Druck­sache 16/7439, S. 97) zum § 63 Absatz 3c SGB V unmiss­ver­ständlich von einer Erbringung ärztlicher Leistungen „ohne vorherige ärztliche Veran­lassung“ gesprochen wird, scheint dabei wohl nicht zu stören. Da verspricht die Lektüre der Beschluss­be­gründung (die sogenannten „Tragenden Gründe“) recht spannend zu werden.

Aber auch abseits von der Frage, ob sich die Richt­linie inhaltlich mit dem gesetz­ge­be­ri­schen Willen deckt – das Abstellen auf die Delegation beschreibt den bereits existie­renden Status quo zwischen Ärzten und Pflegenden – und bietet damit eigentlich keinen ausrei­chenden Grund zur Durch­führung von neuen Modell­vor­haben, die auf die Weiter­ent­wicklung des Gesund­heits­systems abzielen. Oder anders ausge­drückt: Hier wird nur alter Wein durch neue Schläuche gegossen.

Aber vielleicht liegt das Problem ja auch ganz woanders. Nach einem Bericht in der Ausgabe Oktober 2011 der Zeitschrift „KLARTEXT“ wünschte KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller die Einbe­ziehung von Medizi­ni­schen Fachan­ge­stellten in die Modell­vor­haben nach § 63 Absatz 3c SGB V und begründet dies unter anderem mit „Wir als Ärzte haben Vertrauen in Sie.“

In der Umkehr folgt daraus nichts anderes, als dass man den Pflegenden kein Vertrauen schenkt. Schade eigentlich.

Dieser Beitrag wurde in seiner ursprüng­lichen Form am 1. November 2011 auf Rechts­de­pesche Online veröf­fent­licht.