
Wer – wie ich – den von GitHub entwickelten Code-Editor Atom zur Webentwicklung nutzt, wird dieser Tage beim Anwendungsstart mit dem Hinweis „We are sunsetting Atom“ begrüßt. Wer dabei an ein Programmieren im malerischen Abendrot denkt, muss sich jedoch auf eine herbe Enttäuschung gefasst machen.
Denn das „den Sonnenuntergang aussetzen“ beinhaltet keineswegs etwas Romantisches. Vielmehr bedeutet es, dass die weitere Entwicklung des Editors eingestellt wird. Als Stichtag hierfür gilt der 15. Dezember 2022. Hiernach werden alle Repositorien, die unter github.com/atom organisiert sind, archiviert.
Zwar soll der Download von bereits kompilierte Atom-Builds auch in Zukunft noch möglich sein. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass auch Atoms offizielle Webseite (atom.io) über kurz oder lang eingemottet wird. Darüber hinaus werden zum Stichtag hin auch bestimmte Dienste – wie zum Beispiel das für Erweiterungen wichtige Paketmanagement – abgeschaltet, sodass der Code-Editor in Zukunft deutlich an Funktionalität und Komfort einbüßen wird.
Warum wird Atom eingestellt?
In einem bereits im Juni 2022 öffentlich gemachten Statement nennt GitHub als Grund für die Einstellung unter anderem das nachlassende Engagement der Entwickler-Community. So seien zuletzt vor allem nur noch Wartungs- und Sicherheitsupdates veröffentlicht worden; wirkliche Neuerungen sollen hingegen kaum noch den Weg in den Code-Editor gefunden haben.
Ein Blick auf die Statistik der Code-Contributions scheint diese Aussagen zu untermauern:
Aus Sicht von GitHub begründet sich das nachlassende Interesse vor allem in den Aufkommen neuer Cloud-basierter Tools. Dass sich das Unternehmen mit dieser Aussage vor allem auf das eigene Produkt GitHub Codespaces bezieht, wird bei der weiteren Lektüre des Statements schnell klar.
Die ganze Wahrheit?
Hinzu kommt, dass mit dem von Microsoft entwickelten Visual Studio Code der Community ein weiterer Code-Editor zur Verfügung steht, der sich darüber hinaus der Gunst von GitHub erfreuen kann. Warum das so ist? Dazu braucht es nicht viel Fantasie – denn das Unternehmen selbst ist seit 2018 Bestandteil des Microsoft-Konzerns.
Seitdem wurde an verschiedenen Stellen, wie beispielsweise auf Quora (hier, hier und hier), Reddit (hier und hier) oder DEV (hier), dahingehend diskutiert, ob Atom unter dieser Voraussetzung überhaupt noch eine reelle Zukunft vor sich haben würde. Wie wir nun wissen, sollten diejenigen, die bereits vor vier Jahren ein langsames Ausschleichen des Code-Editors als das wahrscheinlichste Szenario angenommen haben, am Ende recht behalten.
Und wie geht es jetzt weiter?
Die meisten Entwickler werden wahrscheinlich den Weg des geringsten Widerstandes wählen und zu dem von GitHub respektive Microsoft favorisierten Visual Studio Code wechseln. Zumindest lässt sich dies aus Abstimmungen und Beiträgen in Diskussionsforen sowie einschlägigen Blogs schließen.
Grundsätzlich ist diese Entscheidung nicht verkehrt. Beide Editoren sind Open Source, basieren auf derselben Basis (Electron) und lassen sich weitreichend konfigurieren. Hinzukommt: Viele für Atom entwickelte Erweiterungen wurden gleichsam auch für Visual Studio Code portiert.
Doch es muss nicht zwingend Visual Studio Code sein. Bereits jetzt stehen sowohl kostenlose wie auch kostenpflichtige Alternativen zur Verfügung. Darüber hinaus stehen weitere vielversprechende Code-Editoren unter aktiver Entwicklung. Hier eine kleine Übersicht, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
- Brackets: Ein unsprünglich von Adobe initiiertes Open Source-Projekt, dass ich selber bereits in Verwendung hatte und positiv in Erinnerung habe. Link: brackets.io
- Sublime Text: Dieser Code-Editor kann kostenlos heruntergeladen und evaluiert werden. Wer ihn regelmäßig einsetzt, sollte die Lizenzkosten (derzeit rund 95 Euro) nicht scheuen, um in den kommenden drei Jahren mit Updates versorgt zu werden. Link: www.sublimetext.com
- JetBrains Fleet: Von diesem Code-Editor existiert bislang nur eine Public Preview, die jedoch frei genutzt werden kann. Das endgültige Produkt wird sicherlich kostenpflichtig und – gemessen an den Preisen anderer JetBrains-Produkte – vermutlich nicht gerade kostengünstig sein. Link: www.jetbrains.com/fleet/
- Zed: Dieses Projekt befindet sich noch in den Kinderschuhen. Was es aber so vielversprechend macht, ist die Tatsache, dass es Nathan Sobo, bis 2018 Leiter des Atom-Entwicklerteams bei GitHub, initiiert wurde. Angedacht ist die Entwicklung eines kostenfreien Stand-alone-Editors. Optionale Features wie beispielsweise die Kollaboration von Teams sollen hingegen über ein Abo-Modell zu erwerben sein. Link: zed.dev
- Pulsar: Wenn ein Code-Editor den Titel des direkten Nachfolgers und Thronerben für sich beanspruchen kann, dann wohl dieser. Das ist auch kein Wunder, handelt es sich hierbei schließlich um einen von der Community weitergeführten Fork.
Der Weg zum Build gestaltet sich zwar gegenwärtig noch ein wenig unübersichtlich(Edit: jetzt nicht mehr), das Produkt selbst (zurzeit in der Version 1.63) kann sich bereits jetzt schon sehen lassen. Link: pulsar-edit.dev